Meinungsfreiheit

Verbreitung rassistischen Gedankenguts – Meinungsfreiheit hat Grenzen (von Hendrik Cremer, Auszug)

Die Meinungsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht, das – so formuliert es das Bundesverfassungsgericht – für die freiheitlich-demokratische Staatsordnung „schlechthin konstituierend“ ist. Die Meinungsfreiheit ist jedoch kein Freifahrtschein für rassistische Diffamierungen und Parolen. Dies ergibt sich aus der grund- und menschenrechtlichen Schutzpflicht des Staates, die Bevölkerung vor rassistischer Propaganda zu schützen.
 

Rassistische Positionen im öffentlichen Raum

Rassistische Positionen werden in Deutschland im öffentlichen Raum – in Reden, Interviews, bei Demonstrationen, in Publikationen, auf Wahlplakaten, im Internet – sowohl von rechtsextremen Parteien und Organisationen als auch von Personen und Organisationen vertreten, die nicht klar dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind, bis hin in die gesellschaftliche Mitte. Die Einstellungsforschung zeigt, dass Stereotype und Einstellungen, die sich gegen Jüdinnen_Juden, Sinti_ze und Roma_nja, Muslim_innen, Flüchtlinge und Migrant_innen richten, weit über rechtsextreme Milieus hinaus verbreitet sind (Zick et al. 2016). Gehetzt wird etwa auch gegen Menschen aus der Zivilgesellschaft, Kirchengemeinden und Politik, die nach Deutschland geflohene Menschen unterstützen.

Eine neuere Entwicklung zeigte sich angesichts der Ende 2014 in Dresden begonnenen ‚Pegida‘-Demonstrationen. Solche Demonstrationen haben insofern eine neue Qualität, als an ihnen sowohl Personen aus dem rechtsextremen als auch aus dem bürgerlichen Spektrum teilnehmen. Dabei werden rassistische Stereotype und Einstellungen offen auf die Straße getragen, wobei die Teilnehmenden auch gegen Andersdenkende, Politiker_innen und Journalist_innen hetzen.

Seit 2014 zog auch die Partei AfD (Alternative für Deutschland) in mehrere Landesparlamente und in den Bundestag ein. Führungspersonen der Partei sympathisieren offen mit der Pegida-Bewegung oder vertreten auch selbst rassistische Positionen. Sie haben sich beispielsweise dafür ausgesprochen, auf Flüchtlinge zu schießen, rassistisch motivierte Stimmungsmache gegen deutsche Fußballnationalspieler betrieben, völkischen Sprachgebrauch verharmlost oder die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verhöhnt.

Bereits in den Jahren zuvor verstärkten sich rassistische Positionen in öffentlichen Debatten zu den Themen Integration, Asyl und Migration. Exemplarisch ist zum einen die vom Politiker und damaligen Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank Thilo Sarrazin ausgelöste Debatte in den Jahren 2009 und 2010 zu nennen, der in renommierten Verlagen und Zeitschriften rassistische Thesen vor allem gegen „Türken“, „Araber“ und Muslim_innen verbreitete (Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats 2014: 35ff.). Sinti_ze und Rom_nja wurden ebenso zur Zielscheibe in Debatten um Asyl und Freizügigkeit in der Europäischen Union, auch von Politiker_innen etablierter Parteien (Cremer 2013). Zudem plakatierte die rechtsextreme NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) in diversen Wahlkämpfen Plakate mit antiziganistischer, antisemitischer sowie antimuslimischer Zielrichtung (Schmahl 2015).

Quelle

Hendrik Cemer: Verbreitung rassistischen Gedankenguts – Meinungsfreiheit hat Grenzen

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