Nationalstaaten

Nach Étienne Balibar sind Nationalstaaten mehr oder minder langlebige Institutionen. Sie erstrecken sich meist über verschiedene Generationen. Sie sind oft vereinheitlicht durch Gefühle, gemeinsame Erinnerungen, Ideologien, politische Strukturen, Verwaltungsapparate, wirtschaftliche Interessen – alles Elemente der eigenen „Geschichtlichkeit“. Nach Balibar wird in historischen Nationen zu einem gegeben Zeitpunkt die Möglichkeit realisiert, die Bevölkerung in bestimmten Institutionen zu einigen (vgl. Balibar 2003:41). Die Nation als Konstrukt ist eine Art der Gesellschaftsformation, die ökonomische und ideologische Strukturen verbindet. Nutznießer*innen sind im normativen Diskurs, die mit Rechten ausgestattete Bevölkerung, die als Repräsentant*innen einer gemeinsamen kulturellen Orientierung gesehen wird. Um in diesem Sinne eine Gemeinschaft zu konstituieren bedarf es der Grenzziehung durch den Nationalstaat. Diese schafft immer auch Exklusionen (Ausschlusskriterien), denn durch Einigung einer nationalen Gemeinschaft wird zwangsläufig auch die Gruppe der „Anderen“ geschaffen, die von der Festlegung des „Deutschseins“ abweichen Die nationalistische Überhöhung legitimiert so die Vorherrschaft einer Gruppe und deren Zugang zu den Apparaten des Staates. Nach Étienne Balibar muss der Nationalstaat Institutionen und Diskurse schaffen, durch die ein möglicher Klassenkonflikt einem beständigen „gerechten Gemeinwohl“ was bedeutet das untergeordnet werden kann (vgl. Balibar 2003:43). Aber der Nationalstaat ist kein statisches Gebilde ohne Bewegung. Es gibt viele Akteure innerhalb und außerhalb eines Nationalstaates, so dass Veränderungen und Verschiebungen Teil seiner Transformationen sind. So wirken verschiedene sich widersprechende Elemente, wie Antidiskriminierungsgesetze und rassistische Migrationspolitik innerhalb eines Nationalstaates (Yuval – Davis 1997:27ff).

Quelle

Étienne Balibar: Sind wir Bürger Europas? Politische Integration, soziale Ausgrenzung und die Zukunft des Nationalen, Hamburger Edition, Hamburg 2003

Gudrun Greve, Žaklina Mamutovič: Feministische Diskurse zu Staatsbürgerschaft

Nira Yuval-Davis: Gender and Nation, Sage Publications, London 1997

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